Lange Zeit mussten Arbeitnehmer:innen zäh über das Homeoffice verhandeln, selbst wenn sie nur einen oder zwei Tage pro Woche zu Hause arbeiten wollten. Die große Mehrheit der deutschen Arbeitgeber lehnte diese Option vehement ab, da ihnen die Kontrolle fehlte. Doch dann kam Corona und plötzlich war alles anders. Mitarbeiter:innen durften nicht nur zu Hause bleiben, sie mussten es sogar.
Letztendlich war dieser Zwang positiv: Arbeitnehmer:innen lassen sich das liebgewonnene Homeoffice nicht mehr nehmen und Arbeitgeber:innen haben erkannt, dass die Welt nicht untergeht – und die Arbeit mindestens genauso gut erledigt wird wie vorher im Büro. Doch wie sieht es mit der rechtlichen Lage und dem angekündigten Gesetz zum Homeoffice aus?
Gesetz zum Homeoffice lässt auf sich warten
Bereits seit 2019 müht sich das Bundesarbeitsministerium um ein neues Gesetz, das Arbeitnehmer:innen ein grundsätzliches Recht auf Homeoffice einräumt. In den Niederlanden wurde ein solches Recht auf Heimarbeit bereits 2015 eingeführt und hat sich seither bewährt.
In Deutschland war es lediglich das verschärfte Infektionsschutzgesetz, das die Arbeitgeber:innen ab November 2020 sogar verpflichtete, die Arbeit im Homeoffice zu erlauben, sofern keine betrieblichen Gründe dagegen sprachen. Mit dem Ende der Pandemie-Maßnahmen wurde dieses Recht auch wieder aufgehoben und Berufstätige müssen wieder mit dem Vorgesetzten über das Homeoffice verhandeln.
Was sagen die Statistiken zum Homeoffice?
Aktuelle Statistiken rund um das Homeoffice sind aufgrund der Pandemie verzerrt. Zu Zeiten der Lockdowns arbeiteten schätzungsweise fast ein Drittel der Berufstätigen von zu Hause aus, doch anschließend sank die Zahl wieder.
Langfristig betrachtet, ergibt sich jedoch eine beeindruckende Wandlung. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2021 arbeiteten vor dem Ausbruch der Pandemie lediglich 4 Prozent der Berufstätigen in Deutschland „ausschließlich oder überwiegend von zu Hause“. Beim ersten Lockdown schnellte die Zahl auf 27 Prozent hoch.
Für die deutsche Arbeitswelt war dies eine Art Urknall, wie das Forschungsinstitut ifo in einer weiteren Umfrage im Frühling 2022 ermittelte. Auch nachdem die Pflicht zur Heimarbeit am 20. März 2022 endete, blieb die Zahl der Beschäftigten im Homeoffice bei 24,9 Prozent.
Warum es vermutlich kein Gesetz zum Homeoffice braucht
Während das Bundesarbeitsministerium noch um ein Gesetz zum Homeoffice ringt, wird es vermutlich schon von der Wirklichkeit überrollt. Dafür sorgt nicht zuletzt der Fachkräftemangel. Arbeitnehmer:innen, die die Arbeit von zu Hause lieb gewonnen haben, möchten erst gar nicht mehr mit Vorgesetzten über das Recht auf Homeoffice verhandeln. Wird es ihnen nicht eingeräumt, suchen sie sich einen anderen Job. Und wer will in Zeiten des Fachkräftemangels schon seine talentiertesten Mitarbeiter:innen verlieren?
Klingt unwahrscheinlich? Von wegen.
Eine internationale Studie der Unternehmungsberatung EY unter 16.000 Mitarbeitern in 16 Ländern ergab, dass 54 Prozent bereit wäre, den Job zu wechseln, wenn ihre Wünsche nach mehr Flexibilität beim Arbeitsort ungehört verhallen. Bei den jüngeren Milllennials ist diese Bereitschaft doppelt so hoch wie bei den Babyboomern. Eine nur auf Deutschland beschränkte Studie von Cisco und Civey ergabt, dass hierzulande immerhin 13 Prozent einen neuen Job suchen würden, wenn sie kein Recht auf Homeoffice hätten. Und beim Kampf um die hellsten Köpfe der jungen Generationen haben Unternehmen heute schon verloren, wenn sie erst gar kein Homeoffice anbieten. Sie würden sich erst gar nicht bewerben.
Die Vor- und Nachteile des Homeoffice
Bist auch du während der Pandemie auf den Geschmack der Heimarbeit gekommen oder startest gerade erst ins Berufsleben und willst zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten? Dabei solltest du dir die Vor- und Nachteile vor Augen halten:
Vorteile Homeoffice
| Nachteile Homeoffice
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Die meisten Menschen entscheiden sich darum für eine Mischung: Sie bleiben ein oder zwei Tage pro Woche zu Hause, um sich das Pendeln auf den ewig verstopften Straßen (nicht nur) im Ruhrgebiet zu sparen und konzentriert an Projekten zu arbeiten. An den anderen Tagen fahren sie dagegen ins Büro, um sich mit dem Kolleg:innen auszutauschen und aus dem Haus zu kommen.
Daneben ist es eine Frage des Naturells. Der introvertierte IT-Spezialist, der vor allem konzentriert an Software arbeitet, ist vermutlich am glücklichsten im Homeoffice. Die Kommunikation kann seinetwegen auch über Instant Messenger erfolgen. Die extrovertierte Marketingspezialistin, die ständig Menschen um sich herum braucht und im Austausch mit ihnen laufend kreative Ideen produziert, ist dagegen im Büro besser aufgehoben.
So kannst du über das Homeoffice verhandeln
Du möchtest ebenfalls zumindest teilweise von zu Hause arbeiten? Entweder sprichst du deine:n Vorgesetzte:n einfach so in einer ruhigen Minute darauf an, oder du nutzt das nächste Mitarbeitergespräch, um über das Homeoffice zu verhandeln. Wichtig dabei: Mach dem Chef/der Chefin klar, dass beide Seiten Vorteile haben und du nicht nur egoistisch an dich denkst.
Einige gute Argumente:
- Ich bin im Homeoffice produktiver, da ich mich besser konzentrieren kann.
- Da ich morgens nicht mehr ständig im Stau stehe, kann ich früher anfangen.
- Bei einer anhaltenden Krankheitswelle kann ich mich besser isolieren.
- Wenn mehr Mitarbeiter:innen von zu Hause arbeiten, brauchen Sie weniger Schreibtische und können irgendwann die Bürofläche reduzieren und Miete sparen.
- Die Kommunikation im Team erfolgt ohnehin meist schon online per E-Mail und Messenger, da ändert sich kaum etwas.
- Für Meetings und generell bei Bedarf kann ich natürlich weiterhin ins Büro kommen.
Dazu hilft es natürlich, wenn du gleich einen Plan zur Umsetzung präsentieren kannst. Verweise darauf, dass du zu Hause schon einen großen Schreibtisch mit hochwertigem Schreibtischstuhl und High-Speed-Internet hast. Die Einrichtung eines VPN-Tunnels zum Firmenserver und eine Weiterleitung des Telefons sind für dich technisch kein Problem. Im Endeffekt würde es also kaum Unterschied machen, ob du in deinem Büro am Ende des Flurs sitzt oder 15 Kilometer entfernt in deiner Wohnung.