Die Metropole Ruhr erstreckt sich von Kamp-Lintfort im Westen bis nach Hamm im Osten und von Dorsten im Norden bis nach Hagen im Süden. Dazwischen befinden sich die Großstädte Dortmund, Bochum, Essen und Duisburg. Über 5 Millionen Menschen leben hier. Das sind weit mehr als in Berlin oder in München, Hamburg und Köln zusammen. Die Metropole Ruhr zählt damit zu den größten Ballungsgebieten Europas und galt lange Zeit als der deutsche Motor. Doch wie kam es dazu?
Wie das Ruhrgebiet zum deutschen Motor wurde
Ein Blick in die Geschichte der Region verrät den Grund. Wir befinden uns im Jahr 1814. Es ist das Jahr der Kapitulation Napoleons. Im Wiener Kongress wurden Preußen (das später in Deutschland aufging) große Teile des Rheinlands zugeteilt, wozu heute auch das Ruhrgebiet zählt. Preußen, das das „belanglose Rheinland“ als Trostpreis ansah (wollte es doch eigentlich ganz Sachsen haben) musste nur wenig später, im Zuge der Industrialisierung erkennen, welch ein Schatz ihnen dort unwissentlich zugesprochen wurde.
Denn tief unter der Erde des Ruhrgebiets schlummerten reichhaltige Kohlevorkommen. Zunehmend wurden aus den ländlichen Gebieten und Dörfern der Region große Städte. Zechen wurden errichtet und die Kohle gefördert. Das schuf Arbeitsplätze und Arbeitsplätze ziehen weitere Menschen an. Diese Erkenntnis hat bis heute Bestand.
Ohne das Ruhrgebiet hätte Otto von Bismarck – der, als das Rheinland nach Preußen ging, gerade erst geboren wurde – die zerstreuten deutschen Gebiete ein halbes Jahrhundert später vermutlich nie einen können.
Gleichzeitig wäre sicherlich auch das Wirtschaftswunder in Deutschland unter dem ersten Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard nach dem 2. Weltkrieg ausgeblieben.
Der Begriff Motor, der für das Ruhrgebiet in diesem Zusammenhang gerne genutzt wird, ist also nicht unbegründet. Doch wie sieht es heute aus? Läuft der Motor immer noch genauso gut wie früher? Eines ist gewiss: Die Metropole Ruhr hat sich erneut gewandelt. Der Bergbau, der für den Antrieb des Motors der letzten Jahrzehnte verantwortlich war, gehört der Vergangenheit an. Vor nur wenigen Jahren schloss das letzte aktive Steinkohlebergwerk im Ruhrgebiet. Die gesamte Region war und ist gezwungen, sich neu aufzustellen.
Der Ist-Zustand
Ein Blick auf den Arbeitsmarkt
Bei einem Blick auf den Arbeitsmarkt fällt eines sofort auf: Gut 70 Prozent der fast 2 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Ruhrgebiet arbeiten mittlerweile im Dienstleistungssektor, was sich in etwa mit dem Rest der Bundesrepublik deckt. Man kann davon ausgehen, dass sich der Trend auch in Zukunft fortsetzen und das produzierende Gewerbe in Deutschland und im Ruhrgebiet vom Dienstleistungssektor weiter verdrängt wird.
Zum Vergleich: Im Zeitraum der deutschen Wende überholte der Dienstleistungssektor das produzierende Gewerbe im Ruhrgebiet erstmals knapp und ist nun weit abgeschlagen vorne. Das zeigt, wie rasant die Entwicklung ist.
Vom Bergwerk ins Krankenhaus: Wo arbeiten die Menschen im Ruhrgebiet?
Mit jeweils über 200.000 Beschäftigten profitieren drei Sektoren besonders stark vom Strukturwandel in der Metropole Ruhr:
- Der Gesundheitssektor
- Berufe in der Unternehmensführung und -organisation
- Der Verkehrs- und Logistiksektor
Der Gesundheitssektor:
Der Gesundheitssektor ist die am größten wachsende Branche der Metropole Ruhr. Das Ruhrgebiet hat eine alternde Bevölkerung. Viele davon waren in der Vergangenheit schwerer körperlicher Arbeit ausgesetzt. Es verwundert daher nicht, dass diese Tatsache zu einer steigenden Nachfrage nach Medizin und Gesundheitsdienstleistungen führt.
Berufe in der Unternehmensführung und in der Unternehmensorganisation:
Das Ruhrgebiet durchläuft einen rasanten Übergang der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Durch den Strukturwandel zieht es zahlreiche neue Unternehmen und Start-ups in die Region. Hinzu kommen eine fortschreitende Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle. Um den Wandel erfolgreich vollziehen zu können, benötigen die Firmen oftmals Unterstützung von Experten, was die Metropole zu einem Nährboden für Berufe in der Unternehmensführung und -organisation macht.
Der Verkehrs- und Logistiksektor:
Der wachsende Online-Handel stärkt die Nachfrage nach Logistikdienstleistungen. Das Ruhrgebiet liegt im Herzen Europas und verfügt über eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur mit Autobahnen, Eisenbahnen und Wasserstraßen, was es zu einem optimalen Standort für Logistikunternehmen macht.
Die Metropole Ruhr: Ein attraktiver Arbeitsmarkt
Über die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Metropole Ruhr verfügt über einen anerkannten Abschluss einer Berufsausbildung. Auch angehende Akademiker zieht es häufig in die Metropole Ruhr, denn die Region bietet eine starke Auswahl großer und renommierter Universitäten. Darunter befinden sich die TU Dortmund, die Ruhr Universität Bochum, die Universität Duisburg-Essen oder die Fernuniversität Hagen.
Diese Kombination aus qualifizierten Fachkräften und einer dichten Hochschullandschaft macht das Ruhrgebiet zu einem besonders attraktiven Arbeitsmarkt, wovon die ansässigen Unternehmen profitieren.
Die Kehrseite: Hohe Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet
Dass der Strukturwandel nicht nur Vorteile mit sich brachte, zeigt die Zahl der Arbeitslosen, die anteilig weit über dem Bundesschnitt liegt. So betrug die Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet im April 2024 rund 10 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit lag die Quote zum gleichen Zeitraum lediglich bei rund 6 Prozent.
Die Stadt Gelsenkirchen weist sogar mit fast 15 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in ganz Deutschland auf. Doch auch Duisburg, Hagen, Dortmund und Herne haben es im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit schwierig.
Corona und Energiepreise belasten auch die Unternehmen im Ruhrgebiet
Betrachtet man den Zeitraum der letzten fünf Jahre, wird deutlich, dass die Corona-Pandemie mitsamt den Maßnahmen einen nicht unerheblichen Anteil an der steigenden Arbeitslosigkeit trägt. In weniger als einem halben Jahr nach dem ersten Lockdown in Deutschland hat sich die Quote um mehr als einem Fünftel erhöht. Die darauffolgende kurze Entspannung auf dem Arbeitsmarkt hielt nicht lange und wurde schnell von weiteren Belastungen wie steigenden Energiepreisen egalisiert.
Langzeitarbeitslosigkeit gibt Grund zur Sorge
Fast die Hälfte aller Arbeitslosen sucht schon seit einem Jahr oder länger nach einem Job. Auch der leichte Rückgang, der in den letzten Jahren vor Corona verzeichnet wurde, ist nun erstmal wieder gestoppt. Gleichzeitig eröffnet das jede Menge Potenzial für Arbeitgeber. Viele Jobsuchende freuen sich über Jobangebote und neue Herausforderungen. Umschulungen, Ausbildungen und eine gute Einarbeitung können starke Mittel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sein.
Zukunftsaussichten: Chancen und Herausforderungen für die Metropole Ruhr
Die Boomer gehen in Rente
Der demographische Wandel macht auch vor dem Ruhrgebiet nicht Halt. Dabei deckt sich der Altersquotient von 38 in etwa mit dem Bundesweiten. Die meisten Menschen des westlichen Ballungsgebietes sind zwischen 50 und 65 Jahre alt. Grund zur Hoffnung gibt es jedoch in Hinblick auf die Altersspanne der 25- bis 40-Jährigen, die ebenso in großer Zahl vertreten ist. Dabei stellen sich die Großstädte um Dortmund, Bochum, Essen, Gelsenkirchen und Duisburg als besonders attraktiv für junge Leute heraus.
Eine halbe Millionen Schüler im Ruhrgebiet
Obwohl die Schulstandorte über die letzten Jahre eher abgebaut wurden, blieb die Zahl der Schüler in der Metropole Ruhr weitestgehend konstant. Lediglich die Grundschulen konnten über die Jahre ein größeres Plus verbuchen. Insgesamt befanden sich Stand 2021 über eine halbe Millionen Schüler an allgemeinbildenden Schulen.
Fachhochschulen verbuchen die meisten Abschlüsse
Auch, wenn die Zahl der mittleren Schulabschlüsse über die Jahre gesunken ist, bleibt die Fachoberschulreife weiterhin auf Platz 1, gefolgt von der Allgemeinen Hochschulreife, die ebenso stetig weniger Abgänge verzeichnet.
Ausbildung statt Studium im Gesundheitssektor
Besonders beliebt bei Studenten im Ruhrgebiet sind die Studiengänge in den Bereichen Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und Ingenieurswissenschaften. Fast drei Viertel aller Studenten der Metropole belegen eines dieser Fächer.
Auch, wenn die Humanmedizin oder Gesundheitswissenschaften hier nicht zu den populärsten Studiengängen zählen, treibt es andererseits zunehmend Azubis in die Pflegeberufe, was vor allem dem aufstrebenden Gesundheitssektor der Region zugutekommt.
Fazit und Perspektiven der Metropole Ruhr
Die Metropole Ruhr hat sich von einem industriellen Kraftzentrum zu einer vielseitigen Dienstleistungsregion entwickelt. Der voranschreitende Strukturwandel bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich.
Einerseits profitiert die Region von einem hohen Fachkräfteanteil und einer starken Hochschullandschaft, die neue Unternehmen und Start-Ups anziehen. Der Gesundheits- und Logistiksektor sind dabei besonders wachstumsstark und bieten zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten.
Andererseits bleibt die hohe Arbeitslosigkeit eine zentrale Herausforderung. Die Corona-Pandemie und steigende Energiepreise haben die Situation weiter verschärft und den Arbeitsmarkt stark belastet.
Dennoch gibt es positive Aussichten. Der Strukturwandel ist noch lange nicht abgeschlossen, doch die Region hat das Potenzial, sich weiterhin als attraktiver und vielseitiger Wirtschaftsstandort zu behaupten.
Als Grundlage dieses Artikels diente das Statistikportal Ruhr (Stand April 2024)